
Apple stellt also die Produktion der Vision Pro Brille ein. Auch Meta schreibt Verluste mit seinen VR-Brillen. Das Metaverse ist also endgültig tot. Metaverse? War da was?
Unsere Autorin Marilyn Repp war mittendrin: sie recherchierte in der Hoch-Zeit des Hypes vor allem Auswirkungen und Anwendungsbeispiele für den Handel und den E-Commerce, sprach mit Start-Ups und Vordenker:innen der Web3-Szene, wurde auf die Bühnen des Landes eingeladen. Nun wirft sie einen Blick zurück: was bleibt vom Hype?
Meta-what?
Metaverse – Was war das noch? Im Oktober 2021 kündigte Facebook an, sich in Meta umzubenennen. In Kombination mit der Covid- Pandemie löste dies einen Tech-Hype aus.
Das Metaverse bezeichnet eine immersive, persistent bestehende digitale Welt, die durch die Verschmelzung von virtueller Realität (VR), Blockchain-Technologien und dem Internet geschaffen wird. Laut Matthew Ball, dem führenden Metaverse-Experten, ist das Metaverse eine „Interoperable 3D-Welt“, die Menschen, Orte und Objekte in Echtzeit verbindet und ein nahtloses digitales und physisches Erlebnis ermöglicht.
Unter dem Begriff Metaverse versammeln sich viele verschiedene Technologien, die eigentlich allesamt nicht neu waren: Blockchain-Produkte wie NFTs, Virtual Reality, Online Gaming, Digitaler Zwilling und viele weitere.
Nachfolgend gehe ich auf die zentralen Metaverse-Technologien, ihre Relevanz und Anwendungsbeispiele für den Handel und den Status Quo ein.
Augmented und Virtual Reality
Augmented Reality und Virtual Reality plätschert so vor sich hin. Einen großen Sprung für den Handel konnte ich hier lediglich in Bezug auf den QR-Code wahrnehmen, der sich durch die Corona-Pandemie endgültig durchsetzte. Er verbindet die echte mit der digitalen Welt. Darin steckt ein großes, vor allem auch kreatives Potential! Augmented Reality – also das Ergänzen der echten Welt durch digitale Elemente – finden wir vor allem im Möbelhandel. IKEA hatte die Place-App allerdings schon vor dem Metaverse-Hype.
Eine aktuelle Bitkom-Umfrage zeigt zwar, dass die Nutzung von AR von 19 auf 28 Prozent gestiegen ist, allerdings bezieht sich das hauptsächlich auf Social Media Filter. Virtuelle Produktansichten im E-Commerce sind mit vier Prozent noch sehr gering verbreitet.
Virtual Reality spielt für den Handel derzeit keine Rolle. Die Nutzung von VR-Brillen hat sich nicht nur nicht durchgesetzt. Sie bleibt auch hinter niedrigen Erwartungen zurück. Kein Wunder, dass Apple die Produktion einstellt.
Digitaler Zwilling
Die Erstellung eines Digitalen Zwillings erschien vor allem als Heilsbringer am Retourenhimmel. Bei Retourenquoten von bis zu 75 % im Schuh-E-Commerce macht das nur Sinn: die Kundin filmt den eigenen Fuß oder Körper ab und matcht den digitalen Zwilling ihres eigenen Fußes mit Kleidung oder Schuhen im Online-Shop. Das hat sich bislang nicht durchgesetzt. Der Fashion-E-Commerce setzt derzeit eher auf die Analyse großer Datenmengen durch KI und versucht auf dieser Basis, passgenauere Empfehlungen zu geben. Auch nicht schlecht, halt nicht ganz so sexy.
3D-Stores
Von Anfang an mein liebster Hoax! Walmart scheiterte schon 2017 mit dem digitalen Nachbau des eigenen Stores. Es war einfach langweilig.
Wer sehen will, wie Metaverse richtig geht, schaue sich die neuere Version von Walmart in Kooperation mit Roblox an – hier wurde eine kreative, unterhaltsame Welt in Kooperation mit Content Creators gebaut. Darauf kommt es an: Spaß, Entertainment und nicht zu vergessen: Community. Die Creators bauten nicht nur auf kreative Weise eine Walmart-Welt, sondern brachten auch gleich ihre Community mit auf die Plattform. So geht Metaverse.
Auch H&M hat sich ausprobiert mit den langweiligen 3D-Nachbildungen der eigenen Stores und ich erinnere mich, dass zu Beginn des Metaverse Hypes viele Händler glaubten, sie brauchten jetzt einen Store in irgendeinem Game und sogar völlig nutzloses digitales Land in The Sandbox.
Für mich stellte sich von Anfang an die Frage: was soll das? Welchen Mehrwert bringt das der Nutzer:in? Wenn schon digital, dann bitte auch die unendlichen Möglichkeiten dieser Welt nutzen! Spaß macht es, wenn ein Entertainment- und Entdeckungsfaktor dazu kommt, wie etwa beim Gucci Garden, in dem man auf Entdeckungsreise gehen konnte und hier und da digitale Taschen für 4000 Dollar als NFT kaufen konnte. Wie sinnvoll das ist, entscheidet bekanntlich der Markt. Auf den einschlägigen NFT-Marktplätzen konnte man mit diesen digitalen Gütern eine Menge Geld verdienen.
Demokratisierung und Dezentralisierung des Internets
Die Demokratisierung des Internets durch die Blockchain hat sich (zumindest bis jetzt) nicht durchgesetzt. Ich muss zugeben, dass das mit Abstand für mich der spannendste Faktor bei dem Hype war. Die Blockchain ermöglicht es, Daten dezentral zu speichern – man braucht also keinen teuren und mächtigen Verwalter mehr. Die Information wird auf vielen Rechnern gleichzeitig gespeichert und Datenkraken damit entmachtet. Soweit die verheißungsvolle Theorie.
Aber: Die großen Internet-Konzerne kontrollieren immer noch unseren digitalen Fußabdruck.
Woran ich allerdings fest glaube, ist ein Durchbruch von Blockchain-Anwendungen in der Zukunft. Einfach weil ein Generationenwechsel in den Entscheider-Positionen der Unternehmen stattfinden wird. Viele junge Leute kennen NFTs aus dem Gaming (Die Gen Z sieht sich zu 90 % als Gamer:innen), sind mit Bitcoin und anderen Coins aufgewachsen. Die Ängste sind bei den Jüngeren also viel geringer und damit die Hürden für neue Blockchain-basierte Anwendungen viel niedringer als bei den älteren Generationen.
NFT- und Blockchainbasierte Loyalty-Programme
Verbraucher:innen sind Mitglied in dutzenden Loyalty-Programmen, teils digital, teils mit den berühmten Stempelkarten. Ein echter Vorteil für die Kundschaft wäre es, in einer digitalen Wallet alle Mitgliedschaften zu verwalten und Punkte hin- und herschieben, verschenken oder verkaufen zu können. Rein technologisch kann auch das die Blockchain. Dieses Anwendungsbeispiel erschien mir vor zwei Jahren als die vielversprechendste Möglichkeit von Web3-Technologien für den Handel. Auch das setzte sich nicht durch.
Die meisten der Start-Ups, die das verkaufen wollten, gibt es nicht mehr, sie haben eine sehr harte Zeit oder pivotiert, d.h. das Geschäftsmodell geändert. Hier durfte ich lernen: Nicht alles, was für den Kunden Sinn ergibt, wird von den Unternehmen auch umgesetzt. Allerdings glaube ich fest an die Blockchain-Technologie, ihren Nutzen und sinnvolle und flächendeckende Anwendungen in der Zukunft.
Employer Branding im Metaverse
Employer Branding in virtuellen Welten – das ist für mich der Bereich, der sich wirklich langfristig durchsetzt und auch nach dem Hype weiterbesteht und ausgebaut wird. Lidl, Kaufland und Aldi im Metaverse – also in Online-Games – das bleibt. Gerade die großen Lebensmittler haben von der Rezession kaum etwas bemerkt. Und sie suchen Personal für ihre vielen Flächen und für die IT-Abteilungen. Da bricht auch ein Aldi das jahrzehntelange Schweigen und geht in die Offensive: sei es in digitalen Welten, TikTok-Kampagnen oder mit einem völlig überdimensionierten Stand auf der Gamescom. Da das Personal tendentiell in der nächsten Zeit nicht mehr wird, sehe ich diese Errungenschaft als flächendeckend großen Erfolg des Metaverse-Hypes: Employer Branding im Gaming.