Kai Hudez: Einzelhandel im Dauerkrisenmodus

Ruben Doppelstein

26. November 2023

Die RETAIL NXT 2023 bot eine Bühne für die drängendsten Fragen und Herausforderungen des Handels. Einer der Höhepunkte war der Vortrag von Kai Hudez, Geschäftsführer des IFH Köln, der einen ebenso umfassenden wie prägnanten Überblick über die aktuellen Krisen und ihre Auswirkungen auf den Einzelhandel präsentierte. Von globalen Krisen über digitale Disruption bis hin zur Nachhaltigkeitsdebatte zeichnete er ein realistisches Bild der Handelslandschaft – und zeigte gleichzeitig Wege aus der Krise auf.

Handel im Krisenmodus: Ein Rückblick

Kai Hudez begann seinen Vortrag mit einem Überblick über die beispiellosen Herausforderungen der letzten Jahre:

  • Corona-Pandemie: Ein Brandbeschleuniger, der die Digitalisierung und den Online-Handel auf ein neues Niveau gehoben hat.
  • Ukraine-Krieg und Inflation: Neben Lieferkettenproblemen belasten steigende Preise die Konsumlaune erheblich.
  • Signa-Pleite und Leerstand: Die Zukunft großer Handelsflächen ist ungewiss und könnte viele Innenstädte negativ beeinflussen.

Seine Einschätzung: „Krisen sind nicht neu, aber die Geschwindigkeit und Komplexität haben zugenommen. Der Handel muss schneller reagieren.“

Was wollen Konsumenten in Krisenzeiten?

Mit Daten aus dem Trendcheck Handel, einer umfassenden Studie des IFH in Zusammenarbeit mit Salesforce, stellte Hudez die drängendsten Sorgen der Konsumenten vor:

  • 60 % der Konsumenten geben an, dass Preissteigerungen ihnen Angst machen.
  • 52 % befürchten, ihren Lebensstandard nicht halten zu können.

Diese Zahlen verdeutlichen die zentrale Herausforderung: Preisbewusstsein dominiert das Konsumverhalten, während Themen wie Inspiration und Erlebniskauf in den Hintergrund treten.

Online-Handel: Eine Seitwärtsbewegung?

Hudez entkräftete die Behauptung, der Online-Handel schrumpfe:

  • Seitwärtsbewegung statt Schrumpfen: Der E-Commerce stagniert auf hohem Niveau, zeigt jedoch keine Einbrüche.
  • Langsamer, aber stabiler Wachstumspfad: Bis 2026 erwartet das IFH ein kumuliertes Wachstum von 20 %.

Seine Prognose: Der stationäre Handel muss sich auf hybride Konsumverhalten einstellen, bei dem Online- und Offline-Käufe immer stärker verschmelzen.

Die Rolle der Innenstädte: Vitalität durch Vernetzung

Eine lebendige Innenstadt ist ohne Handel nicht denkbar – das war eine von Hudez’ Kernbotschaften. Studien zeigen:

  • Einkaufen bleibt das wichtigste Motiv, warum Menschen Innenstädte besuchen.
  • Handelsflächen müssen jedoch mit Gastronomie und Erlebniskonzepten kombiniert werden, um attraktiv zu bleiben.

Seine Warnung: „Leerstand bekämpft man am besten, bevor er entsteht.“ Ohne proaktive Maßnahmen droht eine Abwärtsspirale, die Innenstädte nachhaltig unattraktiv macht.

Die Plattform-Frage: Warum Kunden zu Amazon gehen

Amazon bleibt der dominierende Player, vor allem dank einer nahezu unschlagbaren Auswahl und Convenience.
Hudez stellte die zentrale Frage, die sich jeder Händler stellen muss:

„Warum sollte der Kunde bei mir kaufen und nicht bei Amazon?“

Die Antwort liegt in einer klaren Positionierung und einem unverwechselbaren Leistungsversprechen – sei es durch Service, Inspiration oder Nachhaltigkeit.

Nachhaltigkeit: Anspruch und Wirklichkeit

Obwohl Konsumenten Nachhaltigkeit schätzen, klafft oft eine Lücke zwischen Einstellung und Verhalten:

  • 72 % der Verbraucher geben an, dass der Preis für sie wichtiger ist als Nachhaltigkeit.
  • Secondhand boomt: Märkte für gebrauchte Waren wie Fashion und Bücher wachsen und verbinden Preisbewusstsein mit Nachhaltigkeit.

Hudez sieht in diesem Segment eine Chance, Konsumenten zu erreichen, die gleichzeitig sparen und nachhaltiger konsumieren möchten.

Key Takeaways: Handel braucht klare Antworten

Zum Abschluss seines Vortrags fasste Kai Hudez die zentralen Erfolgsfaktoren für den Handel zusammen:

  1. Digitalisierung ist unverzichtbar, um Kunden Mehrwert zu bieten.
  2. Eine klare Positionierung gibt Kunden einen Grund, stationär zu kaufen.
  3. Krisenbewältigung erfordert Geschwindigkeit, aber auch Weitsicht.

Sein Fazit: „Es wird immer Handel geben – aber nur für diejenigen, die echten Mehrwert liefern.“

Der Vortrag von Kai Hudez war nicht nur eine Analyse der Herausforderungen, sondern auch eine Anleitung, wie der Handel in schwierigen Zeiten wachsen und sich neu erfinden kann.